Am 27. Januar 2010 wird die Klasse 6b mit dem Bertini-Preis 2010 ausgezeichnet. Die Feierstunde wird im Ernst-Deutsch-Theater stattfinden.
Die Geschichte des BERTINI-Preises
Der Name des Preises geht zurück auf den großen Roman „DIE BERTINIS”, in dem der Hamburger Schriftsteller Ralph Giordano das Schicksal seiner Familie und das Verhalten ihrer Hamburger Mitbürgerinnen und Mitbürger während der Verfolgung in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur schildert. Der Roman geißelt die Ausgrenzung, Verfolgung und Erniedrigung, die viele Hamburgerinnen und Hamburger in jener Zeit erlitten, und er beschreibt Hamburgerinnen und Hamburger, die damals wegschauten, das Unrecht duldeten oder unterstützten. Er würdigt aber auch jene, die Zivilcourage bewiesen und ihren verfolgten Mitbürgerinnen und Mitbürgern – oft unter Einsatz des eigenen Lebens – geholfen haben.
Begründung für die Bewerbung um den Bertini-Preis 2009:
Der Bertini-Preis fördert Vorhaben gegen Unrecht, Vorhaben gegen das Vergessen, Vorhaben gegen das Verleugnen von Unrecht.
Agnes Gierck ist Unrecht geschehen, zunächst durch die Nazis und dann durch den Leiter des Bezirksamts Nord. Herausgefunden hat die Klasse 6b das im Rahmen ihrer Forschungen zum Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten: Das letzte Thema des Geschichtswettbewerbs lautete „Helden: verehrt – verkannt – vergessen“. Diese Themenstellung regte uns dazu an, im Religionsunterricht der Frage nachzugehen, ob die Personen, nach denen die Straßen in unserem Stadtteil Langenhorn benannt sind, wirklich Helden waren. Aus der Fülle der Namen, die die Kinder fanden, suchten wir zwei heraus, über die es im Internet wenig Information gibt. Wir fanden Agnes Gierck und Storchenvater Schwen, zwei, die nicht gerade zusammen „passten“, aber für die Kinder interessant waren: eine Widerstandskämpferin, die in ihrer Nachbarschaft gewohnt hatte, und der „Storchenvater“, dessen Gasthof 10 Minuten Fußweg von unserer Schule entfernt liegt und dessen Tierliebe die Klasse (Profil: FUN) sehr ansprach.
Über Agnes Gierck gibt es im Internet nur einen Artikel; darin wird eine in Hamburg lebende Enkelin erwähnt. Die Kinder fanden heraus, wie die Enkelin heißt, welche Telefonnummer sie hat – und dann fuhren drei Kinder zu ihr. Sie berichteten der Klasse von dem Besuch bei der alten Dame, dem „Interview“ mit ihr und dass die alte Dame bereit sei, zu uns in die Klasse zu kommen. In unserem Klassenraum antwortete Frau Kelb dann auf die Fragen der Kinder, erzählte, zeigte Dokumente und Fotos. Die Kinder verstanden die alte Dame und das, was sie erzählte, zumal wir im Vorfeld über Nazis und Kommunisten gesprochen hatten.
Ein Punkt irritierte die Kinder besonders: Der Ortsamtsleiter hatte bei der Umbenennung des Peter-Mühlens-Wegs in Agnes-Gierck-Weg behauptet, Agnes Gierck sei keine Widerstandskämpferin im eigentlichen Sinne gewesen. Frau Kelb sagte, dass sie das für falsch gehalten habe, aber sie hatte offensichtlich nichts dagegen unternommen. Die Kinder reagierten anders: Wenn der Ortsamtsleiter etwas Falsches gesagt hat, muss man das korrigieren. Aus Sicht der Kinder (sie haben viele Dokumente gelesen) war Agnes Gierck eine echte Widerstandskämpferin, denn sie hat aktiv Flugblätter gegen die Kriegsvorbereitungen der Nazis verteilt und war Kassenwartin für die Rote Hilfe. Für ihren Mut ist sie verhaftet und zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Danach hat sie trotzdem im Untergrund weiter gegen die Nazis gearbeitet.
Die Kinder sind zu dem begründeten Schluss gekommen: Agnes Gierck war eine echte Widerstandskämpferin. Sie war eine echte Heldin und hat es verdient, dass eine Straße nach ihr benannt wurde. Nicht verdient hat sie die Herabsetzung ihrer Widerstandsleistung durch die Rede des Ortsamtsleiters. Die Ursache dafür, dass man ihr die Ehrung im Ortsausschuss zunächst gänzlich verweigern wollte, hatten die Kinder schnell herausgefunden: Agnes Gierck war Kommunistin und Kommunisten werden auch heute von vielen nicht geschätzt.
Die Klasse hat sich zum Ziel gesetzt, alle darüber zu informieren, dass der Ortsamtsleiter Agnes Gierck und ihrer Familie Unrecht getan hat, als er Agnes Gierck als „keine Widerstandskämpferin im eigentlichen Sinne“ bezeichnete.
Bisher haben die Kinder erreicht,
- dass dieselbe Lokalzeitung, in der damals die falschen Worte des Ortsamtsleiters abgedruckt waren, über die gegenteiligen Ergebnisse der Kinder geschrieben hat,
- dass eine zweite Lokalzeitung darüber berichtet hat
- dass Agnes Gierck in den nächsten Band der „Hamburgischen Biografie“ aufgenommen wird
- dass Agnes Giercks Bild im Januar unter den Widerstandskämpfern im Rathaus hängen wird (Ausstellung)
Jetzt warten die Kinder
- auf Antwort auf ihren Brief ans Ortsamt
- auf ihren Auftritt in der KZ-Gedenkstätte Fuhlsbüttel (dort war Agnes Gierck im Untersuchungsgefängnis)
Dr. Elke Hertel